Glamour und Geduld

Ein Abendkleid des französischen Couturiers Christian Dior erweitert die Sammlung historischer Mode des Kunstgewerbemuseums in Berlin um ein besonderes Exponat. Behutsam restaurieren die Experten in den Werkstätten des Museums das Kleid und bereiten es für die Präsentation im Museum vor.

Der Platz vor dem Kulturforum, zwischen Potsdamer Platz und Tiergarten erscheint ruhig und verlassen. Die Corona Pandemie hat im Dezember 2020 auch im Kunstgewerbemuseum die Besucher ausgesperrt. Hinter den verschlossenen Türen ist jedoch von Stillstand keine Spur. In der Abteilung für Textilrestauration arbeitet die Restauratorin Gabriella Gaal an einem Haute-Couture Kleid von Christian Dior. Das bodenlange Modell ist Teil der Herbst-/Winterkollektion 1951. Der Ankauf des Kleides erfolgte bereits im Jahr 2019. Das Abendkleid hat nicht zuletzt durch die Aufnahmen des amerikanischen Modefotografen Henry Clarke für die Vogue weltweite Bekanntheit erlangt und somit einen ikonischen Platz in der Kostümgeschichte erlangt. Eine weitere Anfertigung des Modells wird im Geburtshaus des Modeschöpfers, dem heutigen Museum „Maison Dior Granville“ in der Normandie gezeigt.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Raban Renatus

Bevor dieses Kleid den Berliner Museumsbesuchern gezeigt werden kann, liegt noch viel Arbeit vor der Restauratorin.
Das fragile Kleid liegt ausgebreitet auf ihrem großen Arbeitstisch. Eine körpernahe, schulterfreie Korsage, verziert mit einer großen, breiten Samtschleife ist bestickt mit Perlen und Pailletten. Der bodenlange, weite Rock besteht aus drei Schichten Tüll in unterschiedlichen Braun- und Schwarztönen und einem Seidenunterrock. Halbmondförmige, gestickte Ornamente aus Perlen und Pailletten verzieren den Rock. Die schlichten Farben in Kombination mit der feinen Materialzusammenstellung und den kunstvoll handgearbeiteten Stickereien, erzeugen eine Ausstrahlung von zurückhaltendem Glamour und unaufdringlicher Eleganz.
Die Innenverarbeitung bei Haute Couture Kleidern steht in der Regel der Aussengestaltung in Perfektion nichts nach. Bei diesem Kleid ist sehr anschaulich zu sehen, dass das in den 50er Jahren noch nicht so gemacht wurde. Das Innenleben der Korsage ist für heutige Maßstäbe eher grob vereinfacht, offen und rudimentär gearbeitet. Das Kleid konnte so leichter angepasst werden und dem perfekten Innenleben ist weniger Aufmerksamkeit gewidmet worden als das heute der Fall ist.

Als Haute Couture Modell wurde das Kleid nur auf Bestellung von Kundinnen individuell angefertigt. Wer das Kleid, das nun seinen Weg nach Berlin gefunden hat, einst trug und wo, ist nicht bekannt. Man kann sich aber gut vorstellen, dass dieser Saum schon viele Quadratmeter von glänzenden Parkettböden berührt hat, großzügige Freitreppen gefegt oder beim Tanzen auf großen Bällen herumgewirbelt wurde. Das Kleid ist in einem Zustand, der von ausgiebigem Tragen erzählt. Die Farben sind partiell verblasst und im Rock befinden sich viele kleine Löcher. Frau Gaal hat jede schadhafte Stelle bereits mit einem roten Faden markiert. So erhält sie einen 3Überblick über die Anzahl der Beschädigungen. Die kleinen Löcher im Rock werden von der Restauratorin wieder geschlossen. Dadurch wird verhindert, dass der Stoff möglicherweise noch weiter reisst oder weitere Löcher entstehen. Das geschieht ausschliesslich zur Sicherung der Exponates. Bei der Textilrestaurierung im Museum ist nicht immer der Originalzustand eines Stückes das Ziel. Oftmals werden Trage-Spuren und Abnutzungen bewusst erhalten, da gerade diese die Geschichte eines Kleidungsstückes erzählen. Der Saum des Tüll-Rocks ist teilweise ausgefranst und so wird er auch bleiben, wenn das Kleid im Museum ausgestellt wird. Die Reparaturen an dem Kleid verhindern lediglich, dass das Kleid weitere Beschädigungen erleidet. Der Zerfall wird durch die notwendigen Ausbesserungen gestoppt, das Kleid konserviert und überhaupt erst in einen Zustand versetzt, der eine Präsentation möglich macht.
Die Restauratorin hat in diesem Fall entschieden die Löcher mit Hilfe von sehr feinen, eingefärbten Seidenfäden zu schliessen. Dabei bildet sie die Struktur des Tüll-Gewebes in Handarbeit nach. Nach einer Experimentierphase, in der sie verschiedene Techniken testet, hat sie diese Methode gewählt. „Das Herumprobieren um herauszufinden wie ich vorgehe, braucht oft die längste Zeit“, erklärt Frau Gaal. Dann arbeitet sie nach einem organisierten Zeitplan. Diese Arbeit braucht neben dem umfangreichen Fachwissen und der handwerklichen Erfahrung vor allem auch viel Geduld.

Das Berliner Kunstgewerbemuseum hat mit seiner Werkstatt für Textilrestauration ein Expertenteam im Einsatz, das mit viel Erfahrung und Expertise den Exponaten die angemessene Wertschätzung teilhaben lässt.
Das restaurierte Dior-Kleid mit der exotisch anmutenden Modell-Bezeichnung „Mexique“ wird im Rahmen der Ausstellung „Dior und seine Nachfolger“ zu sehen sein. Die von der Kuratorin für Mode, Textil und Schmuck Dr. Katrin Lindemann konzipierte Ausstellung öffnet am 16.12.2021 ihre Türen.
Das restaurierte Kleid bildet eines der Glanzstücke der Ausstellung.

https://www.howtodior.de/